
Videospiele sind fester Bestandteil unseres Alltags. Sie dienen der Unterhaltung, sind Hobby und für viele ein wichtiger Teil ihrer Identität. Doch Gaming ist mehr als nur Zeitvertreib. Studien zeigen zunehmend, dass Videospiele ein wirksames Werkzeug zur Stressbewältigung sein können. Aber wie genau funktioniert das? Und worauf sollte man achten, um die positiven Effekte zu nutzen?
Gaming als Ventil: Eintauchen in andere Welten
Ein anstrengender Tag im Büro, eine überquellende To-Do-Liste, der Kopf raucht – und dann? Statt Frust auf der Couch, lieber zum Controller greifen. Plötzlich wird man zum Abenteurer in fantastischen Welten, zum Rennfahrer auf virtuellen Strecken oder zum Städteplaner einer Metropole. Die Alltagssorgen treten in den Hintergrund, während man sich voll auf das Spiel konzentriert. Diese Fähigkeit, uns in andere Welten zu entführen, ist eine der großen Stärken des Gamings. Es ist aktive Erholung, die hilft, abzuschalten und Stress zu reduzieren.
Wissenschaftliche Belege für Stressreduktion
Die positive Wirkung von Videospielen ist nicht nur ein Gefühl, sondern wissenschaftlich belegt. Eine Übersichtsarbeit in PMC, die 28 Studien auswertete, zeigt, dass kommerzielle Videospiele (COTS-Spiele) effektiv Stress und Angst reduzieren. Das gilt nicht nur für gesunde Personen, sondern auch für Menschen mit psychischen und körperlichen Erkrankungen. Selbst kurze Spielsitzungen von wenigen Minuten können helfen. Bestimmte Spiele, wie Action-Adventures und Pokémon Go, wurden als besonders wirksam identifiziert. Die Studie ist hier verfügbar.
Psychologische Mechanismen
Beim Gaming geht es um mehr als Ablenkung. Spiele sprechen verschiedene psychologische Mechanismen an.
Kompetenzerleben und Selbstwirksamkeit
Schwierige Aufgaben meistern, Level abschließen – das erzeugt ein Gefühl von Kompetenz und Selbstwirksamkeit. Dieses Gefühl stärkt das Selbstbewusstsein und hilft auch im Alltag. Spiele wie Celeste, die präzise Steuerung erfordern, fördern dieses Kompetenzerleben. Forscher der Istanbul Medipol University und der Erasmus University Rotterdam zeigten, dass Videospiele die Distanzierung von der Arbeit fördern und das Kompetenzgefühl steigern. Spieler, die aus Freude spielten, profitierten am meisten. Details dazu hier.
Soziale Verbindungen und Gemeinschaft
Viele Spiele, besonders Online-Multiplayer-Titel, bieten eine soziale Komponente. Man spielt mit Freunden, lernt neue Leute kennen, erlebt gemeinsam Abenteuer. Das reduziert Einsamkeit und Stress. Die ‚Power of Play‘-Studie zeigt, dass über die Hälfte der deutschen Gamer Videospiele aktiv zur Stressbewältigung nutzt. Gaming kann bei Angstgefühlen helfen und in schwierigen Phasen unterstützen. Mehr Infos hier.
Kreativität, Neuroplastizität und Flow
Eine Studie der Constructor University Bremen (Leitung: Radwa Khalil) beleuchtet die Förderung von Kreativität und Neuroplastizität. Die in Frontiers in Human Neuroscience veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass durch Spiele angeregte kreative Prozesse die Fähigkeit des Gehirns fördern, sich neu zu organisieren. Regelmäßiges Spielen – sechs bis acht Wochen können reichen – bewirkt positive Veränderungen. Dabei entsteht oft ein ‚Flow‘-Zustand, ein völliges Aufgehen in der Tätigkeit, was mit erhöhter Neuroplastizität einhergeht. Die Studie ist hier zu finden.
Die Rolle der Motivation
Entscheidend ist die Motivation. Eine Studie der Oxford University fand heraus, dass Spieler, die sich zum Spielen gezwungen fühlen, eher negative Auswirkungen auf ihr Wohlbefinden erleben. Wer aus Freude spielt, profitiert eher. Details dazu gibt es hier.
Unterschiedliche Genres, unterschiedliche Wirkungen
Nicht alle Spiele sind gleich. Unterschiedliche Genres haben unterschiedliche Effekte.
Open-World-Spiele und Rollenspiele
Spiele wie The Legend of Zelda: Breath of the Wild bieten offene Welten zum Erkunden. Das Gefühl von Freiheit und Kontrolle reduziert Stress. RPGs lassen uns in Rollen schlüpfen und Entscheidungen treffen, was das Gefühl von Selbstwirksamkeit stärkt.
Puzzle- und Simulationsspiele
Spiele wie Tetris oder Stardew Valley wirken beruhigend. Wiederholende Aufgaben und das Lösen von Problemen in einer kontrollierten Umgebung fokussieren den Geist. Stardew Valley bietet mit dem Aufbau eines Bauernhofs Ablenkung vom Alltagsstress.
Casual Games vs. kompetitiver E-Sport
Gelegenheitsspiele dienen oft der Entspannung. Kompetitives Spielen, z.B. in League of Legends, kann durch Leistungsdruck Stress verursachen. Eine Studie der Deutschen Sporthochschule Köln zeigte, dass ein Teil der befragten E-Sportler Anzeichen psychischer Beschwerden aufwies, darunter ein tendenziell niedriges Wohlbefinden und eine als niedrig eingestufte psychische Widerstandsfähigkeit bei allen Gruppen außer den E-Sport-Profis. Knapp 17% der Befragten zeigten erste Anzeichen psychischer Beschwerden. Die Studie ist hier verfügbar.
VR-Gaming
Virtual-Reality-Spiele bieten ein intensives Erlebnis. Die Immersion kann effektiv Stress abbauen. Eine Studie der Universität Utrecht untersucht VR-Spiele zur Behandlung von Phobien mit ersten positiven Ergebnissen. VR-Gaming hat großes Potenzial. Weitere Informationen finden sich in Studien der Universität Utrecht, die die Angstreduktion durch Exposition in virtuellen Umgebungen untersuchen (siehe Zusammenfassung).
Spiele für Veteranen
Eine Studie zeigt, dass Videospiele Veteranen bei psychischen Problemen wie PTSD helfen können. Spiele bieten Ablenkung, fördern soziale Interaktion und helfen, militärische Erfahrungen zu verarbeiten. Mehr dazu hier.
Risiken und Nebenwirkungen
Neben den positiven Effekten gibt es auch Risiken.
Gaming Disorder
Die Dosis macht das Gift. Exzessives Spielen kann negative Folgen haben. Die WHO hat ‚Gaming Disorder‘ als psychische Erkrankung anerkannt. Kriterien sind Kontrollverlust, Priorisierung des Spielens über andere Aktivitäten und Fortsetzung trotz negativer Konsequenzen. Eine Studie aus Japan empfiehlt maximal drei Stunden Spielzeit. Mehr dazu hier.
In-Game-Käufe
Viele Spiele locken mit In-Game-Käufen. Das kann zu finanziellem Druck führen. Setzen Sie sich ein Budget, verfolgen Sie Ihre Ausgaben und nutzen Sie gegebenenfalls Jugendschutzeinstellungen.
Tipps für gesundes Gaming
Um die positiven Effekte zu nutzen, ohne in Fallen zu tappen, hier einige Tipps:
- Spielen Sie in Maßen. Achten Sie auf ausreichend Zeit für Schule, Arbeit, Freunde, Familie und Schlaf.
- Wählen Sie Spiele bewusst aus. Probieren Sie verschiedene Genres.
- Spielen Sie aus Spaß, nicht aus Zwang.
- Achten Sie auf Ihre Gefühle. Machen Sie Pausen, wenn das Spielen Sie stresst.
- Nutzen Sie soziale Kontakte. Spielen Sie mit Freunden oder werden Sie Teil einer Community.
- Setzen Sie sich ein Budget für In-Game-Käufe.
Die Zukunft: Therapie und mehr
Die Forschung zum therapeutischen Potenzial ist vielversprechend. Eine Studie der Oxford University zeigte, dass Animal Crossing das Wohlbefinden steigern konnte (hier). Eine Studie von Johns Hopkins Medicine untersuchte spezielle Videospiele für Kinder und Jugendliche mit positiven Effekten bei ADHD und Depression (hier).
Spiele, die sich mit mentaler Gesundheit befassen
Es gibt Spiele, die sich mit psychischer Gesundheit, Trauer und Depression auseinandersetzen. Sie können helfen, Emotionen zu verstehen. Ein Artikel auf GameStar stellt 18 solcher Spiele vor (hier).
Mehr als Unterhaltung
Videospiele sind mehr als Zeitvertreib. Sie können Stress abbauen, soziale Kontakte fördern, Kreativität anregen und die psychische Gesundheit unterstützen. Verantwortungsbewusster Umgang ist wichtig. Gaming kann helfen, reale Herausforderungen zu meistern.